7,30 Euro – so viel müsste ein Döner nach Angaben des Vereins türkischer Dönerhersteller in Europa eigentlich kosten. In vielen Imbissbuden ist der Preis davon mittlerweile gar nicht mehr so weit entfernt. Das liegt nicht nur an den starken Preissteigerungen für Weizen: Gurken kosteten im März 39,6 Prozent mehr als vor einem Jahr, Tomaten sogar 43,9 Prozent, zuletzt haben zudem die Fleischpreise kräftig angezogen. Extrembeispiele, die deutlich machen, welche Auswüchse es aktuell in einzelnen Bereichen gibt. Hinzu kommen steigende Energiepreise und Mieterhöhungen, die bei jedem Einzelnen für faktisch weniger Geld im Portemonnaie sorgen. Verwendet man den Warenkorb des Statistischen Bundesamts, stieg die Inflationsrate im Mai in Deutschland um 7,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Das ist der höchste Stand seit der Euro-Einführung im Jahr 1999. Ein weiteres Ansteigen konnte auch aufgrund der Maßnahmen der Bundesregierung verhindert werden. Mit 7,5 Prozent im Juli ist die Inflationsrate jedoch weiterhin auf einem hohen Niveau.
Bereits im Januar, also vor dem Beginn von Putins Angriffskrieg, betrug die Inflationsrate 4,9 Prozent in Deutschland und lag somit deutlich über den von der Europäischen Zentralbank (EZB) angestrebten knapp zwei Prozent. Zu Jahresbeginn trieben die Folgen der Corona-Pandemie die Preise in ganz Europa nach oben. Schon zu diesem Zeitpunkt stiegen die Energiepreise merklich an. Nachholeffekte aufgrund von Einschränkungen durch Corona verstärkten diesen Effekt. Hinzu kamen und kommen Lieferketten, die – vor allem wegen Lockdowns in China – immer noch erheblich gestört sind. Erst mit weltweiten Lockerungen der Coronamaßnahmen erholte sich die Konjunktur. Die meisten Inflationstreiber waren zu diesem Zeitpunkt temporär. Unternehmen brauchen ihre Zeit, um Lieferketten wieder her- oder umzustellen.
Für die aktuellen Teuerungen liegen die Gründe nicht zuletzt in den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine, unmittelbar, aber auch mittelbar. Am 24.02.2022 hat der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine erste Anzeichen der Erholung abrupt ausgebremst. Dieser Angriffskrieg gegen alle Werte der Freiheit hat nicht nur wegen der Sanktionen wirtschaftlich massive Konsequenzen nach sich gezogen, sondern auch die bereits angespannte Lage auf den Energiemärkten drastisch verschlechtert. Verknappung und Unsicherheiten auf dem Öl- und Gasmarkt führen zu weiter steigenden Energiepreisen. Diese treiben dabei indirekt auch viele weitere Preise hoch, weil sie Produktionsprozesse deutlich verteuern. So nehmen Produzentenpreise derzeit massiv zu. Lebensmittelpreise sind gestiegen, auch weil die Energiekosten in der Produktion hoch sind. Das macht sich mittlerweile bei allen im Geldbeutel bemerkbar.
Zusätzlich ist durch den Krieg der Handel sowohl mit Russland als auch mit der Ukraine weitgehend zum Erliegen gekommen. Beides sind wichtige Herkunftsländer für Getreide, Mais und Sonnenblumenöl. Deutschland und die EU sind weitgehend unabhängig von Getreideimporten. Dennoch steigen hierzulande wie auf der gesamten Welt die Preise für Weizen. Das trifft viele afrikanische Länder, allen voran Ägypten, besonders hart. Aufgrund ihrer großen Abhängigkeit von Importen und weit verbreiteter Armut in der Bevölkerung steigt dort das Risiko für politische Unruhen. Für uns in Deutschland besteht hingegen eine direkte Abhängigkeit beim Import von Sonnenblumenöl. Das niedrigere Angebot trifft dabei auf eine höhere Nachfrage – oftmals in Form von irrationalen „Hamsterkäufen“. Für uns bedeutet es Mehrkosten und teilweise auch leere Supermarktregale.
Die Europäische Kommission geht aufgrund der genannten Entwicklungen in diesem Jahr von einer durchschnittlichen Inflationsrate von 7,9 Prozent in Deutschland aus. Zum Vergleich: 2020 lag diese noch bei nur 0,5 Prozent, während sie sich 2021 bereits auf 3,1 Prozent belief. Bei der EZB hätten da schon lange alle Alarmglocken schrillen sollen. Denn das oberste Ziel der EZB ist Preisniveaustabilität. Per Definition bedeutet dies eine Inflationsrate, die mittel- bis langfristig nahe, aber unter zwei Prozent liegt (und selbst darüber haben früher die Experten gestritten). Am 21. Juli hat die EZB nun endlich die längst überfällige erste Zinserhöhung um 0,5 Prozent beschlossen.
Vom altbekannten Weg des billigen Geldes, der sich durch niedrige Zinsen und expansive Anleihenkäufe auszeichnet, ist die EZB jedoch noch nicht abgekehrt. Mit der Zinserhöhung wurde auch ein Programm beschlossen, das künftige wieder Staatsanleihenkäufe ermöglicht. Die EZB hat einen Fuß auf der Bremse, während der andere weiter auf dem Gaspedal steht. Derzeit ist jedoch dringend geboten, dass die EZB den Leitzins weiter moderat anhebt und die Anleihekaufprogramme stetig verringert. Das führt zum einen zu einer Stabilisierung der Preise. Zum anderen würde eine Straffung der Geldpolitik die Kosten von Importen senken und damit eine verringerte importierte Inflation zur Folge haben. Bisher passiert das Gegenteil. Durch das aktivere Handeln der amerikanischen Notenbank hat der Euro gegenüber dem Dollar deutlich an Wert verloren, sodass das Tauschverhältnis zwischenzeitlich sogar bei eins zu eins lag. Produkte, die in Dollar gehandelt werden, sind für uns noch teurer.
In Folge der hohen Inflation werden die Rufe nach kompensierenden Lohnzuwächsen laut. Das konnte man am Tag der Arbeit in ganz Deutschland erleben. Im Extremfall verursacht dies eine sich selbst verstärkende Lohnpreisspirale. Steigende Preise führen zu erhöhten Lohnforderungen, die wiederum mit höheren Preisen seitens der Unternehmen finanziert werden müssen. Eine zu hohe Inflation und ihre Folgen gefährden somit die Stabilität der Wirtschaft insgesamt und gehen zudem zulasten von Investitionen. Denn Unternehmen werden ihre Investitionen zurückhalten, wenn sie nicht wissen, wie stark Preise und Kosten ansteigen. Das führt im schlimmsten Fall zu einer Stagflation mit hohen Inflationsraten, während gleichzeitig die Konjunktur stockt oder gar zurückgeht. Die beiden Ölkrisen in den 1970er Jahre haben gezeigt, wohin das führen kann. Helmut Schmidt stellte einst fest: „Lieber 5 Prozent Inflation als 5 Prozent Arbeitslosigkeit.“ Am Schluss hatte er beides.
Die gegenwärtige Situation erfordert spürbare Erleichterungen für Bürger und Unternehmen. Allerdings bestehen hier viele Gefahren für eine gut gemeinte, aber letztlich fehlgeleitete Wirtschaftspolitik. Derzeit gibt es durch Corona immer noch gestörte Lieferketten und durch den Russland-Ukraine-Krieg eine angebotsbedingte Inflation. Durch eine Verknappung des Angebots steigen die Kosten, die Inflation wird weiter angetrieben. Dies gilt besonders für den Energiebereich. Da helfen auch noch so gut gemeinte Finanzhilfen auf Dauer nicht. An dieser Stelle hat die deutsche und europäische Politik nur begrenzte Möglichkeiten zur Entspannung der Situation. Die einzige sinnvolle, zielgerichtete und effektive Lösung ist eine breite Entlastung durch Steuer- und Abgabensenkungen.
In zahlreichen Fällen profitiert der Staat aufgrund der sogenannten „kalten Progression“. Das bedeutet eine Umverteilung zum Staat, sofern die Inflation steigt und die Steuertarife nicht dementsprechend angepasst werden. Denn wenn die Steuertarife unverändert bleiben, rutscht man schnell in eine höhere Einkommensteuerklasse, ohne real mehr zu verdienen. Daher ist es ein wichtiges Signal, dass Finanzminister Lindner angekündigt hat, den steuerlichen Grundfreibetrag und den Steuertarif an die Inflation anzupassen. Diese wie zahlreiche andere beschlossene Maßnahmen werden dafür sorgen, dass die Belastungen für Bürger und Unternehmen abgefangen werden.
Studierende oder Auszubildende, die ihr Einkommen nicht an die steigenden Preise anpassen können, sind von der Inflation besonders betroffen. Die Ampel-Koalition in Berlin hat daher verschiedene Maßnahmenpakete auf den Weg gebracht, um die Auswirkungen der Inflation direkt und schnell abzufedern. Aber diese können höchstens kurzfristig helfen. Auch wenn ich sie im Einzelnen für handwerklich nicht besonders geschickt gemacht halte, haben sie zuletzt einen stärkeren Anstieg der Inflation verhindert und für breite Entlastung gesorgt.
Das dafür bereitgestellte Geld darf vor allem nicht dazu führen, dass die Schuldenbremse dauerhaft aufgeweicht oder sogar abgeschafft wird. Die FDP hat hier eine klare Haltung – auch gegen die eine oder andere Stimme innerhalb der Ampel-Koalition. Das strikte Festhalten an der Schuldenbremse ist angesichts der prekären Lage schon aus Verantwortung gegenüber künftigen Generationen geboten. Im aktuellen Krisenfall ist jedoch die temporäre Ausnahme der Schuldenregel gut begründet und vom Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen.
Auch in Krisenzeiten ist für mich klar: Investitionen in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes, etwa für die Bereiche Forschung und Entwicklung, sollten höchste Priorität erhalten. Denn sie schaffen nicht nur einen Mehrwert für uns, sondern auch für die Generation meiner Kinder und Enkelkinder. Dafür kann man auch in begrenztem Rahmen und im Einklang der Schuldenbremse Kredite aufnehmen. Wenn jedoch wahllos Geldgeschenke, wie etwa das bayerische Familiengeld, mit der Gießkanne verteilt werden, weil Ministerpräsident Söder angesichts sinkender Zustimmungswerte unruhig wird, bringen sie kaum langfristigen Nutzen und tragen unnötig zu einer Staatsverschuldung bei.
Nachdem die CSU 16 Jahre lang im Bund mitregiert hat, macht sie jetzt die Ampel-Regierung für sämtliche Inflationsprobleme verantwortlich. Viele der nun beschlossenen Maßnahmen hätte die CSU bereits lange umsetzen können. Stattdessen hat sie Deutschland zu einem Hochsteuerland gemacht und Steuergelder – wie Scheuers halbe Maut-Milliarde – verprasst. Den Gipfel der Steuergeldverschwendung hat die Staatsregierung nun mit dem bayerischen Pendant zum Berliner Flughafen erreicht: die zweite Stammstrecke in München. Schon jetzt rechnet man mit einer Verzehnfachung der Kosten auf 7,2 Milliarden Euro, sodass die Kostensteigerungen und Fertigstellungsfristen den Pannenflughafen voraussichtlich im negativen Sinn übertreffen werden. Auch hier hat Söder die Schuld reflexartig auf Berlin geschoben, bis ihm auffiel, dass die CSU 12 Jahre lang den Bundesverkehrsminister stellte.
Zudem versucht der bayerische Ministerpräsident politisches Kapital aus dem Krieg in der Ukraine zu schlagen, indem er durch Vergleiche mit den 1920er Jahren Ängste schürt. Die aktuellen Preissteigerungen nennt er eine Hyperinflation. Davon ist Deutschland weit entfernt – und er sollte es auch besser wissen. Das ist VWL-Basiswissen: Bei einer Hyperinflation liegt die Inflationsrate bei mindestens 50 Prozent pro Monat. Hinzu kommen zahlreiche Forderungen von ihm, die rechtlich nicht umsetzbar sind, wie diejenige nach einem reduzierten Umsatzsteuersatz auf Kraftstoffe. Es ist offensichtlich: Je näher die bayerische Landtagswahl im kommenden Jahr rückt, desto mehr populistische Statements kommen aus der bayerischen Staatskanzlei. Doch wer populistisch regiert, macht Schulden und denkt nicht an die Zukunft. Eine langfristige Antwort auf die Krise kann nur eine transparente, nachhaltige und effiziente Ausgaben- und Finanzpolitik sein. Dafür steht die FDP.
Dr. Helmut Kaltenhauser, MdL
Dr. Helmut Kaltenhauser ist seit 2018 Abgeordneter im Bayerischen Landtag. In der FDP-Fraktion ist er Sprecher für Digitalisierung, Staatshaushalt und Finanzen sowie Heimatvertriebene.
Zudem ist er Mitglied im Untersuchungsausschuss „Maske“, der die Verstrickungen der CSU bei den umstrittenen Maskendeals der Staatsregierung untersucht.
*Der Beitrag wurde zum Stand Juli 2022 verfasst, weshalb nicht alle aktuellen politischen Entwicklungen berücksichtigt werden konnten.